Sonntag, 13. September 2009

Hildegard Hamm-Brücher erinnert an Theodor Heuss



In einem Aufsatz der Süddt. Zeitung vom 12./13.9.2009 erinnert Hildegard Hamm-Brücher an den 12. September 1949. An diesem Tag wurde im zweiten Wahlgang Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten und am 14.September Konrad Adenauer mit einer Stimme Mehrheit (seiner eigenen) zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Wie sie schreibt, war Heuss außerhalb seiner schwäbischen Heimat ziemlich unbekannt, obwohl er Sprecher der fünfköpfigen liberalen Fraktion war. Heuss wollte der jungen Demokratie und ihren Bürgern verpflichtende Werte mit auf den Weg geben und Demokratie nicht nur als Staats-, sondern eindringlich auch als Lebensform vermitteln... Dabei ging es ihm um vier Schwerpunkte:
1. Sein grundsätzliches Demokratieverständnis. Eindringlich warnte er davor, "Demokratie als Zauberformel für die Nöte der Welt zu erhoffen" - sie sei nicht nur Wählerstatistik, sondern die Anerkennung eines freien Menschentums, das auch im Gegner den Partner sieht, den Mitspieler.
2. Demokratie als Lebensform - das war für ihn eine Art Ceterum censeo: Es gelte "eine Art Formkraft zu entwickeln, damit sich ein demokratischer Stil entfalte - etwas, was uns bis heute noch nicht ausreichend gelungen ist. "Wenn die Verfassung nicht im Bewusstsein und der Freude des Volkes lebendig ist, dann bleibt sie ein Stück Machtgeschichte der Parteien, die wohl notwendig sind, aber nicht ihren Sinn erfüllen", so zitiert sie Heuss und weiter.
3. Die Verantwortung für die Aufarbeitung der Erblasten der NS-Vergangenheit, die kein anderer deutscher Politiker im Jahrzehnt seiner Bundespräsidentenschaft so eindringlich und wiederholt angemahnt hat.
4. Sein spontaner Humor, seine Schlagfertigkeit und Eigenständigkeit. Talente, die unter deutschen Politikern Seltenheitswert haben. Wenn er etwa am späteren Abend mit seinen Gästen noch gesellig bei Rotwein und Zigarren saß und zum Aufbruch gemahnt wurde, pflegte er zu entscheiden: Gut, der Bundespräsident geht, aber der Heuss bleibt hocken. ... Ja der Heuss, so Hamm-Brücher, war, wie er leibte und lebte, wirklich ein Glücksfall mit seiner allzeit präsenten Menschlichkeit, und mit seinem umwerfenden Humor wirkte er entkrampfend in einer Zeit, die noch von martialischer Uniformiertheit, verwilderter Sprachkultur und obligatorischem Führungsstil geprägt war. In seinen letzten Lebenstagen schrieb er über die "innere Freiheit": "Sie ist der köstlichste Besitz, den Gott dem Menschen als Möglichkeit geschenkt hat und den als Aufgabe zu begreifen seine Würde bestimmt."
An diese, unser Demokratieverständnis vertiefende Sentenz zu erinnern, ist der 12. September 2009 eine willkommene Gelegenheit, meint Hildegard Hamm-Brücher, die 1948 der FDP beitrat, im selben Jahr in den Münchener Stadtrat einzog, in der sozial-liberalen Koalition Staatsministerin im Auswärtigen Amt war, aber 2002 trat aus der FDP austrat.

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