Stellungnahme FDP/Aufbruch-Fraktion, Rita Fromm:
Die Anpassung des kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen an das neue Recht der Doppik ist ein ehrgeiziges Pilotprojekt. Mehr Transparenz, Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse sollte es bringen. Doch die vorgelegte Eröffnungsbilanz 2007 belegt, dass dies nur schwer gelingen kann. Auch in den Haushaltsberatungen 2009/2010 tat sich der Gemeinderat schwer, die Schlüsselprodukte und Kennzahlen vergleichen zu können. Und der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes zur Eröffnungsbilanz zum 1.1.2007 zeigt die Schwierigkeiten auf, die diese Bilanz aussagekräftig machen soll.
1. Der Prüfbericht macht deutlich, dass die Einführung der neuen Haushaltsordnung durch das Land mindestens ungenügend vorbereitet, und wohl sogar hinsichtlich der Geeignetheit der (bisher) vorgesehenen Bewertungsverfahren ungenügend durchdacht war: Es werden, je nach Vermögensgegenstand, ganz unterschiedliche Bewertungsverfahren nebeneinander angewandt, so dass eine materielle Vergleichbarkeit der verschiedenen Vermögensgruppen nicht gegeben ist. Was haben z. B. handelsrechtlich gebotene Verfahren – auch, wenn sie nur „hilfsweise“ (S.21) angewendet werden -, in einer Berechnung des Wertes von Infrastrukturanlagen zu suchen, die der Daseinsvorsorge dienen oder von unveräußerlichen und unersetzlichen Kultur¬einrichtungen?
Die sich ergebende Gesamtvermögenssumme bleibt so ohne jede Aussagekraft.
2. Insofern muss auch die Kritik des Prüfberichtes an der Bewertung des städtischen Archivgutes – die als um bis zu 15 Mio. € überhöht angesehen wird – mit Vorbehalt aufgenommen werden: Das Archivgut müsste zwar nach dem (rechtlich) vorgeschriebenen bzw. vorgesehenen Verfahren niedriger bewertet werden, nach einem Verfahren aber, das für die Ermittlung des „echten“ Wertes dieses Gutes ganz und gar ungeeignet ist.
3. Ausgiebige Überlegungen werden – zu Recht – der Bemessung des „Instand¬haltungsstaus“ öffentlicher Gebäude gewidmet, der sehr erhebliche Werte annimmt. Gleichwohl stellt sich die Frage nach dem Sinn solcher Überlegungen, wenn gleichzeitig festgestellt werden muss, dass sich die ermittelten Werte je nach dem angewendeten Verfahren (EPIQR* bzw. Ertragswert) um durchschnittlich 39% unterscheiden (S. 27)?
Weitere Pauschalierungen, wie die grundsätzliche Festlegung der Gebäudenutzungsdauern auf 100 (Verwaltung) bzw. 50 Jahre (kostenrechnende Einrichtungen), 30%ige Abschreibung zur Ermittlung des Restbuchwertes älterer Gebäude (S. 22), vermögen wenig zu überzeugen – auch wenn sie in dieser Phase des Systemaufbaus wohl nicht vermeidbar sind. Umso weniger scheint die Kritik daran gerechtfertigt, dass bei der Bewertung der Forderungen keine „pauschalen Wertberichtigungen“ vorgenommen wurden (S. 48/49).
4. Zuzustimmen ist der Auffassung, dass eine rückwirkende Änderung (ob sie eine „Korrektur“ sein könnte, mag dahin gestellt bleiben) der Eröffnungsbilanz nicht geboten ist. Auch bei künftigen Bilanzierungsaktivitäten wird es eher auf die Veränderungen des jeweiligen Vermögensstatus ankommen als auf das rechnerische Niveau, jedenfalls solange die Rechnungsgrundlagen – wie unter Punkt 1 dargelegt – mangels klarer Regelungen nicht nach einheitlichen, sinnvoll vergleichbaren Verfahren erarbeitet werden können.
Da die Stadt Karlsruhe sich als Pilotprojekt-Kommune zur Verfügung gestellt hat, denke ich, ist unsere Stellungnahme keine Kritik am RPA und der Kämmerei, sondern eine begleitende Anregung an das Land und den Städtetag, klarstellendere Formulierungen zu entwickeln, bis ab 2018 die Erstellung des Gesamtabschlusses für alle Kommunen verpflichtend werden wird.
* Das Programm Energy Performance Indoor Environment Quality Retrofit (kurz EPIQR) ist ein Multimediaprogramm zur Grobdiagnose von Altbauten. Das Programm wurde vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP entwickelt. Neben der Erfassung des Gebäudezustandes werden auch der Instandsetzungsbedarf, die möglichen Modernisierungsmaßnahmen sowie eine Kostenschätzung berechnet. Weiterhin ermöglicht das Programm eine Berechnung des Heizenergiebedarfs.
EPIQR ist für Architekten, Eigentümer, Banken, Investoren, Hausverwalter, Wohnungsbaugesellschaften und Energieberater geeignet.
Dienstag, 19. Mai 2009
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