Mittwoch, 19. Januar 2011

19.1.1919: Wahl zur Nationalversammlung in Deutschland -Motivation für die Landtagswahl 2011

Zeichnung von Friedrich Naumann auf Briefpapier der Nationalversammlung

"Lberale haben in schwierigsten Zeiten standgehalten und unser Land vorangebracht - und so wird es auch im März 2011 sich zeigen. die Bürger in Baden-Württemberg wissen zu schätzen, dass im Stammland der liberalen Bürgerbewegungen und Parteien, seit 1948 die FDP geleistet hat", erklärt die FDP-Fraktionsvorsitzende im Karlsruher Gemeinderat Rita Fromm. Erinnern wir uns an den 19. Januar 1919:

Knapp 51 Jahre, nachdem die Verfassung für den Norddeutschen Bund und das spätere Kaiserreich verabschiedet worden war, waren die Deutschen 1919 erneut aufgerufen, eine verfassungsgebende Nationalversammlung zu wählen. Die meisten Liberalen wären wohl mit der Demokratisierung, wie sie das Kaiserreich kurz vor seinem Ende noch vollzogen hatte, bereits zufrieden gewesen, gingen dann aber doch mit Feuereifer in den Wahlkampf.
Denn erstens wurden die Gefahren, die Deutschland von einem Rätesystem oder gar einer Bolschewisierung drohten, durch die Wahl einer Nationalversammlung stark eingedämmt. Zum anderen konnte nun, anders als ein halbes Jahrhundert zuvor, die Verfassung vom Parlament frei ausgehandelt werden.
Schließlich konnten auch erstmals Frauen zur Wahlurne gehen. Die immer noch getrennt marschierenden Liberalen schnitten recht unterschiedlich ab: Die Deutsche Demokratische Partei („Liste Naumann“) wurde mit 18,5 % und 75 Abgeordneten drittstärkste Fraktion, während Gustav Stresemanns Deutsche Volkspartei nur auf 4,4 % und 22 Abgeordnete kam.
Damit hatten die Liberalen zwar insgesamt wieder an ihr Ergebnis von 1912 (zus. 25,9 %) angeknüpft, das Schwergewicht hatte sich aber zunächst einmal zugunsten der Linksliberalen verlagert. Diese sollten die ihnen gebotenen Chancen nutzen: Sie wurden an der Seite von Sozialdemokratie und politischem Katholizismus Regierungspartei und nahmen, u. a. durch Hugo Preuß großen Einfluss auf die Verfassungsberatungen. (Anm: aus Liberale Stichtage)

Gertrud Bäumer berichtet in der „Hilfe“ von der Wahl zur Nationalversammlung:


In der Ausgabe der Hilfe, Nr. 5 vom 30. Januar 1919 schreibt sie:
"Sonntag, 19.Januar. Der Wahltag. Man hat vor innerer Inanspruchnahme, Belastung mit allen Geschehnissen, vor lauter Fülle schmerzlicher und in jedem Sinne anspruchsvoller Eindrücke nicht recht den Raum in sich, um fanz sich bewußt zu werden; Der erste Wahlgang der Frauen. Ziel eines Jahrhunderts - Beginn eines Jahrtausends. So werden wir, nicht erfüllt von uns, sondern von allem, dem wir dienen, hinübergedrängt über die Schwelle. Fast unbewußt was sie bedeutet.
Es ist schön, und wie selbstveständlich; dieser Aufmarsch der Familien am Wahlbureau. Vater und Mutter und Töchter. Die kleinen Kinder laufen mit. Sie wollen sehen, wie Mutter wählt. Und die Mutter sagt: sie sollen ihr ganzes Leben an diesen Tag denken.
Bei uns geht es trotz riesigen Andrangs und einer schlechten, mausehaften Anordnung des Bureaus friedlich und gutgelaunt zu. Alte Frauen führt der Polizist außer der Reihe hinein. Vertrauensleute der Parteien rennen wie die Schäferhunde an der straßenlangen Reihe der Wartenden auf und ab und lassen sich immer noch einmal wieder den Zettel zeigen; haben Sie auch den richtigen?
Als Fazit des Eindrucks von Wahlkampf und Wahlakt: Der ganze Streit um das Frauenstimmrecht kommt einem aufgebauscht und gekünstelt vor. Wenn wählen heißt: Volkswillen bekunden - d i e s ist erst Volkswille, das Natürlichste, Selbstverständlichste, Volkstümlichste von der Welt, vor dem alle die Gespensterseherei von früher zerschmilzt." (zit. aus Archiv des Liberalismus 2008. 12.11. 13:36:23*01'00'